Zen-Kreis

komposition für violine, violoncello, klavier und publikum

kantate zum 3. sonntag nach epiphanias
Musik: Jörg Herchet
Text: Jörg Milbradt

Bereits im Vorfeld dieser Uraufführung gab es Diskussionen über den dem Werk zugrundegelegten Text - bis dahin, daß uns ein Veranstalter aufgrund des Textes und der Tatsache, daß er in Teilen auch vom Publikum zu sprechen ist, nicht engagieren wollte. Dies ist ein Grund, den Text und Kommentare von Jörg Herchet dazu schon jetzt zur Verfügung zu stellen.

Der andere Grund ist eben die Beteiligung des Publikums. Wenn Sie sich darauf schon vorbereiten wollen: Hier finden Sie den Text mit allen Sprechanweisungen.


Zum Epiphaniasfest besuchen drei Könige aus dem Morgenland das neugeborene Jesuskind und beschenken es. - So setzt eine jede Epiphaniaskantate den Bezug zu einer außerchristlichen Religion.

Die "kantate zum 3. sonntag nach epiphanias" bezieht sich auf den Zen-Buddhismus (China, Japan). In einem Zweig des Zen-Buddhismus (Schule des Meisters Linji) waren harte Schläge üblich; aber nicht als Strafe sondern als Ruf zur Besinnung: durch Heraustreten aus dem rationalen Ursache- Wirkung-Denken ereignet sich die "Erleuchtung" plötzlich, im "Nu". Als Hilfsmittel wurde dem einzelnen ein persönliches "Koan" (Wort) gegeben, das bis zur Erleuchtung unaufhörlich und endlos "durch gedacht" werden mußte. Zwei Beispiele (Koans):

"Der höchste Weg ist gar nicht schwer, / nur abhold wählerischer Wahl." "Höre das Klatschen einer Hand."

Meister Yunmen Wenyan: Zen-Worte vom Wolkentorberg (Darlegungen und Gespäche, Barth-Verlag 1994):

"In den Ländern aller Himmelsrichtungen gibt es eine einzige Lehre.1 Welches ist diese Lehre? Warum fragst du nicht was anderes ?" - Der Schüler bedankte sich für des Meisters Weisung. Der Meister schrie ihn an: "Khaaa!!" 2

1 Dieser Satz stammt aus dem Satz des Huayan.Uap.:Kegon-)Sutra; er stellt fest, daß allen Lehren des Buddhismus eine einzige Lehre zugrundeliegt.

2 Der Schrei war ein sehr verbreitetes Ausdrucksmittel in Chan-Klöstern, vor allem bei Meister linji und seinen Nachfolgern. Prof. S. Ueda nennt den Schrei der Zen-Meister ein "Ur-Wort", d. h. ein Wort vor - und unter - jeglichem Wort.

Die gleiche Funktion wie der Schrei "Khaaa!!" im vorstehenden Text hat der Ruf "hö" in der Kantate.