Das 1987/91 entstandene "Trio" von Nikolaus Brass bildet den Kern des Programmes. In einem Interview schildert er im Rückblick von 2007 sein Komponieren zu dieser Zeit: "Das korrespondierte mit meinem Anliegen, das musikalische Phänomen zu fokussieren und darauf alle Achtsamkeit zu lenken. (…) Es war nie so, daß ich ein System hatte und das dann exemplifizierte. Viel eher stoße ich auf Phänomene. Ich gehe von der Oberfläche oder von einem musikalischen Moment aus und versuche, diesem alles abzulauschen. Daraus entstehen meine Stücke. (…) Ich empfinde mein Komponieren mehr als ein Aufspüren und Aufdecken als ein Machen und Setzen."

Zum mit einer Dauer von ca. 40 Minuten umfangreichen Trio von Nikolaus Brass treten zwei Uraufführungen, zu denen das elole-Klaviertrio die Aufträge an Stefan Streich und Jürg Frey vergibt.

Für das aktuelle Schaffen dieser beider Komponisten ist die deutliche Trennung von Konstruktion einer Struktur und Oberfläche entscheidend (siehe auch die beigefügten Exposés zu den geplanten Stücken). Die Oberfläche ist kein Beleg für die Struktur sondern muß ihre Bedeutung für sich haben und auf Struktur verweisen, genau wie Struktur auf eine bestimmt ausgeformte Oberfläche verweist, ohne sie im Detail in sich zu haben. Jürg Frey formuliert diesen Gedanken von der Oberfläche aus gesehen folgendermaßen: "Ein Ton an der Oberfläche hat in sich noch keinen Grund, warum er gerade zu diesem Zeitpunkt in dieser Form erscheinen soll, und die Arbeit an der Oberfläche versucht, von dort aus Zusammenhänge herzustellen und in den Kern der Komposition vorzudringen, um dort die Gründe zu finden oder zu erschaffen für die klangliche Erscheinung der Komposition."

Stefan Streich schreibt von der Struktur aus: "Die Überlagerung der unterschiedlich gewellten Ebenen erzeugt Kreuzungspunkte und strukturelle Interferenzen, Anziehungs- und Abstoßungskräfte, Verstärkungen und Auslöschungen, sanften Fluß und Kurzschlüsse. Dies alles wird dazu führen, daß die Musik eine Energie und eine Eigendynamik entwickelt, der ich im Komponieren folgen werde."

Setzte man in der Begriffspaarung "Struktur und Oberfläche" Struktur mit Kompositionsansatz und Oberfläche mit Ausgestaltung des einzelnen Werkes gleich, so läßt sich feststellen, daß es genau wie bei Struktur/Ansatz auch bei Oberfläche/Ausgestaltung Ähnlichkeiten zwischen den drei Komponisten des Abends gibt:

Allen drei ausgewählten Komponisten ist gemeinsam, daß sie ihr (Klang-) Material sehr konzentriert einsetzen. Die Zeiten, in denen dies bedeutete, daß einzelne, von langen Pausen getrennte Klänge zu hören (und spielen) sind, sind vorbei. Hier könnte man eher sagen, daß der einzelne Klang nur als Phänomen wahrgenommen werden kann, weil die Komponisten ihm in einer transparenten Textur Platz zur Entfaltung lassen. Schließlich geht es beiden Uraufführungskomponisten genau wie Brass darum, den einmal in Gang gesetzten Prozessen zu folgen und sie aus ihrer eigenen Dynamik heraus zu gestalten.

Bei aller Ähnlichkeit werden die Stücke sich jedoch durch drei unterschiedliche Komponistenpersönlichkeiten und nicht zuletzt etwa 20 Jahre unterschiedlicher Entstehungszeit unterscheiden. Gerade in der Zusammenstellung werden die im einzelnen Stück aufgeworfenen Fragen deutlicher akzentuiert. Zudem werden die Positionen der jeweiligen Komponisten durch das Nebeneinander-Stellen verwandter Ansätze klarer und damit auch diskutierbar.