Vier Bagatellen

Die vier Bagatellen für Klaviertrio sind etwas anderes geworden, als das Stück, das ich geplant und in der Konzeption vom Sommer 2007 beschrieben hatte.

Oft habe ich den Eindruck, die Musik entwickle eine Eigendynamik während ich komponiere, eine Art eigenen Willen. Dem folge ich gerne, weil er mir Dinge zeigt, die ich noch nicht kenne. Dieses Stück hat sich relativ früh in diesem Prozeß los gemacht und ist davongerauscht. Ich hatte Mühe ihm zu folgen.

Schon zu Beginn der Komposition, Anfang 2008, wurde mir klar, daß eine einheitliche und im ganzen Stück wirkende Strukturierungsmethode, wie die in der Konzeption beschriebenen parametrischen Wellenbewegungen, auf der Strecke bleiben würde. Der Titel "Bagatellen" deutet es schon an: An diese Stelle trat ein freier Umgang mit dem Material. Ich folgte der Dynamik einmal gesetzter Impulse und Gestalten und daraus entstanden, sozusagen im freien Lauf, ganz unterschiedliche Charaktere und Oberflächen. Aus dem Verbinden ihrer gemeinsamen oder gegensätzlichen Klanglichkeit und Energie wurde die Musik.

Was von der ursprünglichen Konzeption geblieben ist, wenn auch nicht in besagter Wellenform, ist die Idee einer formalen Gliederung durch verschiedene Besetzungsgrößen. Tendenziell solistische Passagen und Duos ziehen sich vor allem durch die erste Bagatelle. Dabei verstehe ich das gemeinsame Spiel aller nicht als das Zusammenkommen von drei individuellen Einzelinstrumenten, sondern im Gegenteil, als den Zustand eines Ganzen, der drei, in sich wiederum weitverzweigte Glieder vereint. In diesem Sinne ist eine Solopassage nicht in erster Linie das Alleine-Spielen eines Musikers und der Klang nur eines bestimmten Instruments, sondern ein extrem ausgedünntes Trio.

Die Abfolge der vier Bagatellen gliedert sich in zwei große, eher wuchtige Ecksätze und zwei kleine, objekthafte Stücke dazwischen. Die Arbeit an diesem Zyklus hat sich allerdings zum "work in progress" entwickelt und es werden weitere Stücke folgen. Im nächsten Schritt plane ich mit einem wiederum größeren Satz in der Mitte eine neue symmetrische Anordnung. Parallel dazu gibt es Skizzen zu mehreren kleinen Stücken, deren Gruppierung die Großform weiter verändern wird. Es wird dabei reine, in sich geschlossene Solo- und Duostücke geben, die zum Teil so kurz sein werden, daß sie mit anderen zusammenfließen und in wieder größeren Sätzen aufgehen werden. Auf diese Weise wird die ursprüngliche Idee der Formbildung durch Klang und Energie verschiedener Besetzungen am Ende doch noch sehr deutlich an die Oberfläche treten. Zusammen mit den schwächer abgestuften Besetzungsunterschieden der jetzt bestehenden Bagatellen soll der Zyklus im Großen nahezu stufenlos durch die Register des "Trioinstruments" gleiten.

So der Plan. Aber wie das mit Plänen so ist: Am Ende entsteht vielleicht doch wieder andere Musik, als die, die ich mir jetzt vorstelle. Das ist schön.

Stefan Streich, März 2009