Ein Projekt wie dieses mit Aufträgen an zwei Komponisten beginnt damit, daß wir die Komponisten bitten, ein Exposé zu den künftigen Stücken zu schreiben. Selbstverständlich ändert sich während der Arbeit noch Vieles, aus Gründen der Dokumentation finden Sie hier aber auch noch die Planungen der beiden Komponisten.

Jürg Frey: Projekt Klaviertrio. Vorbereitende Überlegungen.

Wenn ich über ein neues Stück für Klaviertrio nachdenke, so beschäftigt mich zuerst eine kompositorische Herausforderung, die nur auf den ersten Blick rein technischer Natur ist, tatsächlich berührt sie grundsätzliche Fragen meiner künstlerischen Arbeit. Es ist mir immer klarer geworden, dass diese Arbeit eingespannt ist zwischen zwei Polen, die ich hier kurz beschreiben möchte.

Auf der einen Seite steht ein Komponieren, das ein Werk mittels weitgehender Konzeptualisation erschafft. Das bedeutet, dass sich die kompositorische Arbeit weitgehend im Innern des Werkes, quasi an seinem Grund, abspielt. Hier wird mittels verbalem Text, Zeichen, Zahlen, Noten ein Werk vorbereitet, das erst in einer Aufführung seine definitive klangliche Ausformung erfährt. Diese Arbeitsweise befindet sich an der Wurzel des Stückes und versucht dort, eine möglichst präzise Erscheinung des Stückes zu kreieren, ohne dessen klangliche Oberfläche, wie sie dann in der Aufführung erscheint, zu berühren. Die detaillierte klangliche Oberfläche ist eine Folge der konzeptionellen Arbeit.

Auf der andern Seite gibt es eine Arbeitsweise, die sich eben gerade an dieser Oberfläche aufhält, diese Oberfläche mittels der musikalischen Zeichen möglichst genau beschreibt und dort arbeitet, um Gründe zu finden, warum es gerade diese Töne, diese Dauern, diese Formen und also diese Oberfläche sein soll. Ein Ton an der Oberfläche hat in sich noch keinen Grund, warum er gerade zu diesem Zeitpunkt in dieser Form erscheinen soll, und die Arbeit an der Oberfläche versucht, von dort aus Zusammenhänge herzustellen und in den Kern der Komposition vorzudringen, um dort die Gründe zu finden oder zu erschaffen für die klangliche Erscheinung der Komposition.

Metaphorisch kann man diese beiden Arbeitsorte im Bild einer Pflanze wiedererkennen: im ersten Fall beschäftige ich mich mit den Wurzeln, und das Erscheinen der Blüte ist eine Folge davon. Das Faszinierende dabei ist, dass ich eine klangliche Oberfläche gestalte, ohne diese zu berühren, und dass diese dann in der Aufführung ihre Frische und Spontaneität erfahren kann.

Im zweiten Fall beschäftige ich mich mit den Blüten, ordne diese nach meinen Vorstellungen und den künstlerischen Erfordernissen an, und das Faszinierende ist, diese Arbeit so auszuführen, dass sie sinnvoll, einleuchtend und in verschiedenen Bereichen der emotionalen und klanglichen Erscheinung präzise sein kann.

In der Praxis der künstlerischen Tätigkeit sind diese beiden Bereiche natürlich nicht getrennt, und es gibt eine grosse Anzahl von Methoden, die wir Kompositionstechnik nennen, um diese beiden Bereiche miteinander zu verbinden oder zu überbrücken, oder um überhaupt dieses unwegsame Gelände zwischen den beiden beschriebenen Polen begehbar zu machen.

Diese grundsätzlichen Überlegungen scheinen mir besonders wichtig, wenn es um eine historisch gewachsene Besetzung wie der des Klaviertrios geht. So kann ich innerhalb dieser Instrumentalkombination neues Potenzial erkunden und zum Klingen bringen. Dabei geht es mir nicht darum, neue Klänge und unverbrauchte Töne zu benutzen. Eher möchte ich als Komponist an einen Ort kommen, an dem ich die Instrumentalbesetzung neu hören kann, um dann darauf zu vertrauen, dass daraus auch die Musik entsteht, die mir und dieser Besetzung angemessen ist.

Jürg Frey, August 07