Die Kombination dieses Programms mit literarisch-philosophischen Texten entstand aus dem Wunsch heraus, den musikalischen Gehalt durch Referenzen aus einer anderen Kunstform zu verdeutlichen, statt die üblichen Wege zur Vermittlung und Erklärung zeitgenössischer Musik durch pädagogisch angelegte Einführungsvorträge sowie ästhetische und strukturelle Erläuterungen zu beschreiten. Musik und Literatur spiegeln sich in dieser Konzeption und tragen wechselseitig zum besseren Verständnis auf einer nicht so sehr äußerlich-technischen, sondern vielmehr künstlerischen Ebene bei.

Die drei Kompositionen sind zunächst nach musikalischen Kriterien zusammengestellt. Wenn auch sehr unterschiedlich ausgeprägt, ist ihnen doch eine Grundhaltung gemeinsam: Im Vordergrund stehen weder unmittelbarer Gefühlsausdruck noch strukturelle Komplexität; es wird auf äußerliche Effekte und elaborierte Klangverfremdungen verzichtet. Stattdessen unternehmen die Komponisten den Versuch, Entwicklungen und Verknüpfungen über lange Strecken hin zu gestalten. Aus einer Haltung der Zurücknahme und Introvertiertheit entstehen Klanggebilde, die, gerade weil sie sich nicht aufdrängen wollen, ein ruhiges und genaues Zuhören ebensosehr fordern wie ermöglichen.

Dabei ist das kürzeste der Werke, Klaus Langs Die Fenster des Universums, zwar fragmentarisch, jedoch nicht im Sinne Webernscher Reduktion - die Knappheit des Werkes steht in einem gewissen inneren Widerspruch zur Klangsprache des Stückes, die eine quasi ins Unendliche reichende Perspektive besitzt.

Benjamin Schweitzers Marraskuu (November) ist im Vergleich breiter angelegt, aber ein genauerer Blick auf seine differenzierte Binnenstruktur mit der Überlagerung dreier Varianten eines Formkonzepts zeigt auch, daß dem Stück eine fest umrissene, "endliche" Konzeption zugrunde liegt. Die "leicht gespannte" Grundhaltung des Werkes wird, bei allen Dichteschwankungen und wechselnden musikalischen Topoi, nahezu durchgängig beibehalten.

Von geradezu epischer Breite schließlich ist das Klaviertrio von Nikolaus Brass geprägt. Auf die Vorstellung eines "Mottos" für jedes einzelne Instrument folgt ein erster Satz, in dem diese musikalischen Kerne einen stets loser werdenden Bezug zwischen Klängen noch aufrecht erhalten. Die Entgrenzungstendenzen dieses Satzes werden im 2. Satz fortgesetzt. Aus Entwicklungen werden Zustände, aus der uns gewohnten dynamischen Zeit entsteht eine "statische Zeit".

Zuordnung Musik-Text

Wie die Musikstücke bei gleicher Grundhaltung sehr unterschiedlich sind, so sind ihnen auch nicht nur unterschiedliche Texte zugeordnet, die Beziehung zwischen Musik und Text ist jeweils durch einen anderen Weg gekennzeichnet.

Von der Literatur zur Musik geht der Bezug bei Benjamin Schweitzer, der Ende der 1990er Jahre eine Reihe von Kompositionen geschrieben hat, die sich auf Robert Walser beziehen, "(...) nicht so sehr in unmittelbar textbezogener Weise, sondern mehr in einer Anlehnung an den Ton Walserscher Prosa: jenes scheinbar absichtslose, oft skurril-assoziative Fließen, dem expressive Ausbrüche nahezu fremd sind, doch unter dessen Oberfläche sich eine subtil durchdachte dramaturgische Struktur ebenso wie ein zarter, persönlicher Ausdruck verbergen." (Einführungstext zu Marraskuu).

Die entgegengesetzte Richtung ist bei der Zusammenstellung von Klaus Lang und Händl Klaus gewählt. Hier existierte das Werk zunächst ohne literarische Hintergründe. Dazu treten Texte eines zeitgenössischen Autors, mit dem den Komponisten eine enge Arbeitsbeziehung verbindet.

Wenn Nikolaus Brass über die Grundlagen seines Komponierens spricht (etwa in "Geschichte und Erfahrung", 2007, MusikTexte 113, p 63-67), ziehen sich Gedanken George Steiners wie ein roter Faden durch Brass' eigene Formulierungen. Ohne zu behaupten, seine Musik sei eine Umsetzung Steinerscher Ideen in Musik, liegt es doch nahe, hier einen eher philosophischen als literarischen Text als Referenz zu nehmen. Ein Auszug aus Steiners "Grammatik der Schöpfung" umreißt hier das Gebiet, in dem Brass seine Klänge ansiedelt.