Kontinuität, die man hört

Zum zehnjährigen Bestehen von elole

Ein echter Nachteil meines Umzugs von Dresden nach Stuttgart ist, dass es nun nicht mehr so leicht ist, ein elole-Konzert zu hören. In den vergangenen Jahren habe ich viele ihrer Programme erlebt und war immer wieder glücklich, solche Musiker in meiner Umgebung zu wissen. Die Kontinuität und Intensität der inzwischen zehnjährigen gemeinsamen Arbeit des Trios sind als besondere musikalische Qualität in den Aufführungen unmittelbar hörbar. Als Zuhörer kam ich sogar einige Male in die paradoxe Situation, dass mich ein Stück als solches nicht überzeugte, seine Aufführung mich aber dennoch fesselte.

Neben der außerordentlichen interpretatorischen Leistung von elole ist aber auch die vielfältige und stimmige Gestaltung der Konzertprojekte bemerkenswert: Zum einen finden sich neben etablierteren Komponisten wie Bernd Alois Zimmermann, Morton Feldman oder Jörg Herchet viele weniger bekannte Namen, sodass es oft Neues zu entdecken gibt; zum anderen liegt jedem Programm eine besondere Idee zu Grunde, die die Auswahl und Reihenfolge der Stücke sowie den Aufführungsraum bestimmt und darüber hinaus meist noch eine zusätzliche, für das jeweilige Projekt einmalige Ergänzung bietet. Erwähnt seien hier z. B. die Computerprogramme als Einführung zu Feldmans "Trio", mit denen sich das Publikum vor dem Konzert spielerisch und im besten Sinne ohne weitere Erklärungen mit bestimmten Kompositionsverfahren des Stücks vertraut machen konnte. Ein anderes Konzert, das mir in dieser Hinsicht besonders in Erinnerung geblieben ist, enthielt eine Aufführung von Cages "Variations III" in einer Realisation, bei der das in zwei Gruppen aufgeteilte Publikum zum wesentlichen Mitspieler wurde: Jeder bekam am Eingang eine Publikumspartitur, auf der verzeichnet war, was welche Gruppe wann zum Stück beizutragen hat. Ich erinnere mich, dass mich die Aufführungssituation durchaus irritierte, weil ich vor lauter Beteiligung überhaupt nicht mehr "distanziert" zuhören konnte. Im Nachhinein würde ich diese Aufführung aber als die interessanteste und sozusagen "nachhaltigste" Cage-Aufführung bezeichnen, die ich bis heute erlebt habe.

Über die Jahre hinweg sind viele Stücke eigens für elole entstanden und das Verdienst dieses Ensembles um die Erweiterung des zeitgenössischen Klaviertrio-Repertoires ist beachtlich. Dabei weiß ich aus eigener Erfahrung, wie schön es ist, mit Uta-Maria, Stefan und Matthias zu arbeiten und in ihnen Interpreten zu begegnen, die neben der ganz selbstverständlichen Bewältigung instrumentaler Herausforderungen eine wunderbare Offenheit gegenüber dem neuen Werk und eine seltene Genauigkeit und Konsequenz in der Probenarbeit bieten. Sehr einprägsam war für mich eine eigentlich ganz normale Probe im Oktober 2008 für das Konzertprojekt "Eigenzeit": Auf der einen Seite wurde effektiv geprobt, fragliche Stellen wurden gemeinsam besprochen, verschiedene Varianten ausprobiert, um eine optimale Fassung zu finden; auf der anderen Seite gab es dazwischen völlig entspannte, fast feiertägliche Pausen, in denen Zeit war für den gemeinsamen Gang zum Dorfbäcker, um die "Kranzlänge" für das zweite Frühstück zu besorgen. In solch einer Kombination aus konzentrierter Arbeit und Muße kann Kunst gedeihen!

Liebe Uta-Maria, lieber Stefan und lieber Matthias, ich bewundere das, was ihr in den vergangenen zehn Jahren als Trio mit großem Können und viel Idealismus aufgebaut und erreicht habt, und wünsche euch für die nächsten zehn, zwanzig, dreißig … Jahre, dass die Kreise, die ihr zieht, immer weiter wachsen.

Michael Flade