Bild von Thomas Helbig

Das Programm

Das Klaviertrio von Morton Feldman (1926-87) ist 1980 entstanden. Mit circa 80 Minuten Dauer ist es eines der kürzeren Stücke aus dieser Kompositionsphase Feldmans.

Feldman schreibt zu seiner Musik, daß es ihm darum gehe, die Erinnerung zu desorientieren - wozu bei seinem Spätwerk die Dauer der Stücke sicherlich auch ihr Teil beiträgt. Bereits 1963 schrieb er, es sei seine Absicht “nicht zu ‘komponieren’, sondern Klänge in die Zeit zu projizieren, frei von einer kompositorischen Rhetorik, die hier fehl am Platz gewesen wäre”. In diesem Rahmen scheint mir auch die Desorientierung verständlich zu werden: Gerade indem man als Hörer die Orientierung verliert kann es gelingen, die einzelnen Klänge in ihrer je eigenen Bedeutung wahrzunehmen.

Wie sieht das dann kompositorisch aus? Feldman benutzt ein relativ reduziertes Klangmaterial, das sehr sparsam eingesetzt wird. Einerseits werden einzelne Klänge wiederholt (teilweise tatsächlich als Wiederholungen notiert, teilweise auch mit leichten rhythmischen Änderungen bei jedem neuen Auftauchen), andererseits werden auch ganze Abschnitte wieder aufgegriffen (so ist die fünfte von 69 Partiturseiten wie die zweite, nur Takt für Takt rückwärts gespielt). Gerade dieses Beispiel macht auch einen anderen wichtigen Aspekt deutlich: In einem Fall wie diesem handelt es sich eher um eine geometrische als um eine klassisch-musikalische Formbildung. Denn anders als bei einem Krebs (der Ton für Ton rückwärts läuft) werden durch das Rücklaufen der einzelnen Takte in einem insgesamt rückläufigen Gebilde immer wieder neue Zusammenhänge geschaffen. Und es zeigt, daß für Feldman die graphische Einheit einer Partiturseite für die Form des Stückes eine Rolle spielt. Solche formalen Verfahren und die Feinheit der Variationen in den immer wieder auftauchenden Klängen - zusammengenommen mit der ausgedünnten Textur und einer Dynamik an der Grenze der Hörbarkeit - geben der Musik etwas sehr Klares und zugleich Schwebendes.

Feldmans Trio wird "Die Fenster des Universums" von Klaus Lang (geb. 1971) an die Seite gestellt. Dieses 1999 entstandene Stück besteht aus 16 zehnsekündigen Abschnitten die jeweils von 10 Sekunden Pause getrennt sind. Im Klavier ist dabei stets der gleiche hohe Ton sowie sehr tiefe Töne zu hören, die Streicher spielen extrem langsame Glissandi im unteren Mittelbereich. Lang begrenzt die klanglichen Möglichkeiten eines Klaviertrios noch sehr viel mehr, und bringt seine Auswahl in immer wieder neuen Konstellationen zu Gehör.

Die Verbindung zwischen den beiden Stücken liegt also an der Oberfläche der benutzten Klänge. Sie sind jeweils sehr leise und verwenden beide nur ein eingeschränktes Klangmaterial. In diesem Wechselspiel zwischen Ähnlichkeit und Unterschieden werden Aspekte zu Tage treten, durch die sich die beiden Stücke in der Gegenüberstellung neu "beleuchten", Aspekte, die bei Einzelaufführungen verborgen blieben.