Die Zeitbestimmung bei Jubiläen ist selten aussagekräftig: was bedeuten überhaupt zehn Jahre? Angesichts der atemberaubenden musikalischen Präsenz des Dresdner elole-Klaviertrios, das in diesem Jahr genau diese Zeitmarke erreicht, überlegt man erstaunt - gab es elole nicht schon immer? Diese zeitlose Eleganz der Interpretation, der Respekt vor den Komponisten, der Musik, der überaus sympathische handwerkliche Aspekt, der sich auch noch in der dem Konzert anschließenden Feier offenbart, wenn die musikalische Arbeit als das eigentliche Fest postuliert wird? -
Man gratuliert einem Klaviertrio, dass es geschafft hat, in zehn Jahren nicht nur eine Perlenkette von Uraufführungen aneinanderzureihen, sondern das Genre selbst kraftvoll im 21. Jahrhundert ankommen zu lassen. Bewundernswert, dass der Weg des immer Neuen konsequent beschritten wurde; zu hoffen ist, dass das freie Ensemble zukünftig seine Qualität und Strahlkraft weiterhin innerhalb der Stadt als auch - und das ist längst überfällig - international entfalten kann. Das Jubiläumskonzert fand - mit Selbstverständlichkeit und Freude vom Veranstalter getragen - am Mitwoch während des Tonlagen-Festivals im Festspielhaus Hellerau statt.
Im Nancy-Spero-Saal gelang eine reizvolle musikalische Gegenüberstellung, die an die Anfänge des Trios zurückführte, denn zwei Werken aus dem ersten Konzert 2001 wurden zwei Uraufführungen derselben Komponisten zur Seite gestellt. Das Alte erklingt neu, das Neue wirkt plötzlich bekannt - so verblüffend einfach kann eine Konzertdramaturgie sein und so spannend gerät sie, wenn man um den Ernst und den gleichzeitigen Genuss in der Erarbeitung weiß, den Uta-Maria Lempert (Violine), Matthias Lorenz (Cello) und Stefan Eder (Klavier) den Werken angedeihen lassen. Ein gewisses Lustprinzip war bei der Auswahl der Stücke natürlich spürbar: mit allen drei Komponisten verbindet das Trio eine langjährige Beziehung und es teilt sich unmittelbar der Wille mit, die Besonderheiten der Stücke in klingende Botschaft umzusetzen.
Friedemann Schmidt-Mechau ("Sieben kleine Sätze" / "Nähe und Krümmung") etwa komponiert in klar abgestecktem Rahmen, um aber genau dessen Ränder zu erkunden, das Werk sogar kurz zu verlassen, um das Bewusstsein zu schärfen. Irritiert folgt der faszinierte Zuhörer dieser Trio-Achterbahn, die am Ende sogar noch einen fein ironischen Zug trägt. Michael Maierhofs ("Sugar 1" / "Exit E") Focus liegt im Gegensatz dazu völlig auf einer sprachbildenden Klangerzeugung, die jeglichen Bezug, jeglichen Verweis auf Bestehendes ausschaltet. Wiederum angenehm irritiert, dankt man für den Einstieg in eine Musikhöhle, in der es rattert und knarzt, und in der eine möglicherweise unerträgliche Gegenwart plötzlich in Geräuschen wieder einen Rückzugsort findet und Anstrengung eine überraschende Leichtigkeit erfährt.
Charlotte Seithers "Equal ways of difference" war hingegen ein vor allem formal sehr ansprechendes Stück, in dem ein zunächst ziellos wirkendes Materialkarussell nach und nach immer mehr Linearität und Beruhigung erfuhr. Diese ganzen Hörerfahrungen gründen einzig auf einer nur famos zu nennenden Interpretation. Einhelliger Jubel des Publikums war der Dank nicht nur für dieses Konzert, sondern für sehr viel Musik in zehn Jahren, denen hoffentlich weiterhin solch intensive, erhellende Jahre folgen werden.
Alexander Keuk
Erschienen in den Dresdner Neusten Nachrichten am 7. Oktober 2011