Kritik zum Konzert am 7. Oktober 2006


Erschienen in den Dresdner Neusten Nachrichten am 9. Oktober 2006


Neunfach spannende Gegenwart

Vier Preisträger beim "Klang-Stadt-Stille"-Kompositionswettbewerb

Zum Stadtjubiläum 2006 initiierte das Dresdner elole-Klaviertrio vor zwei Jahren einen Kompositionswettbewerb, der nun mit einem Triptychon-Konzert mit neun Uraufführungen an drei Konzertorten seinen Abschluss fand. Neun Uraufführungen? Es handelt sich mitnichten um einen Tippfehler, und die Werke waren auch keinesfalls kurze Aphorismen, sondern loteten die Spielmöglichkeiten eines modernen Klaviertrios bis an seine Grenzen aus. Somit, und dies betonte Jurymitglied Steffen Schleiermacher bei der Preisverleihung, gebührt die höchste Auszeichnung eigentlich dem elole-Trio selbst. Während viele Wettbewerbe maximal den ersten Preisträger überhaupt uraufführen, wählte hier eine Vorjury bereits 2005 aus 119 Einsendungen aus 33 Ländern neun Kompositionen für die Finalrunde aus, die am Samstag innerhalb der "Tage der zeitgenössischen Musik" ausgetragen und anonymisiert von der Jury bewertet wurde.

Mit welcher Intensität und Hingabe sich Uta-Maria Lempert (Violine), Matthias Lorenz (Cello) und Stefan Eder (Klavier) jedem einzelnen Werk widmeten, erzeugte ein faszinierendes Konzerterlebnis und ließ das über sechs Stunden konzentriert folgende Publikum in großen, dankbaren Applaus ausbrechen. Die Vorjury hatte bereits ganze Arbeit geleistet: die neun vorgestellten Kompositionen, aus denen am Ende vier Preisträger hervorgingen, bestachen durch souverän beherrschtes Handwerk und originelle Handschriften. In ästhetischer Hinsicht waren allerdings Werke mit ausgewiesenem traditionellen Bezug wie auch Genregrenzen überschreitende Stücke etwa des instrumentellen Musiktheaters kaum vertreten. Zumeist zurückhaltend war der Bezug zum Wettbewerbstitel "Klang-Stadt-Stille" zu spüren, wenn man von Hernan Palmieris (Argentinien) "Crossed Three-Phase Set/Trio" absieht, welches sich "elektrisierend" mit dem Aufführungsort, dem Siemens-Hochspannungsprüffeld in Kaditz auseinandersetzte und am Ende auch prompt den Publikumspreis erhielt.

In der Dreikönigskirche starteten die Trio-Entdeckungen: Simone Movios (Italien) "Nel tempo della memoria?" gab sich zerbrechlich, die Erkundungen am Rand der Stille waren im nicht störungsfreien Raum problematisch. "La Tache Bleue" von Stefan Johannes Hanke erhielt einen geteilten dritten Preis, dieses Werk überzeugte durch eine packende Gestik und eine ausgeklügelte Dramaturgie. "...und aus den verborgenen Quellen der Stille blüht ein ahnender Klang" von Alexander Morawitz bot zwar durch verstimmte Instrumente eine reizvolle Klangwelt, konnte aber in langatmigen Phrasen nicht völlig zufriedenstellen. Im Siemens-Haus erklangen "Drei kleine Trios" von Sven Ingo Koch, ein Stück über Vereinzelung und Synchronität, es erhielt den zweiten 3. Preis, allerdings konnte ich mit der "Ohrenfälligkeit" (Jury) des Stückes, das für mich nicht in die Tiefe ging, nichts anfangen. Das nachfolgende, mit vielen klanglichen Überraschungen gespickte "Trio" von Konrad Möhwald (damit war auch ein Dresdner Komponist in der Finalrunde vertreten) wirkte da auf mich stärker - letzlich der natürliche Beweis, dass auch bei neuer Musik die Geschmäcker auseinandergehen. Am Ende erklang im Foyer des Festspielhauses Hellerau "Utopia" von Peter Köszeghy (Berlin), gleichsam ein wütendes Negativ über die Illusion "Stille", sodann "Landscape - Out of the mist..." von Kazutomo Yamamoto (Japan), das mit einer gepfiffenen Einlage aufwartete und sich ansonsten in freundlich vortastender Klangwelt aufhielt.

Einen zweiten Preis erhielt "Estudi de Proporcions Nr. 5" von Joan Riera Robusté (Spanien), in der Gesamtschau wohl das avancierteste Werk, das die Möglichkeiten der Instrumente voll auslotete und laut Jury eine "feinsinnige Mischung aus Klang und Geräusch" bot. Die Entscheidung der Jury, "da kein Werk überragend besser als ein anderes gewesen sei", keinen ersten Preis zu vergeben, ist zwar zu respektieren, glücklich macht sie jedoch niemanden, denn das Niveau der Kompositionen war hoch und alle neun Kompositionen stellen für mich eine Bereicherung des modernen Repertoires für Klaviertrio dar. Am 22. November wird das elole-Trio in der Dreikönigskirche ein Preisträgerkonzert geben, eine erneute Möglichkeit, sich von dem beeindruckenden Engagement der drei Dresdner Musiker für zeitgenössische Musik zu überzeugen.

Alexander Keuk