Kritik zum Konzert am 11. Dezember 2003


Erschienen in den Dresdner Neusten Nachrichten am 15. Dezember 2003


Gen Ithaka! - Ewa Boura und das elole-Trio in der Dreikönigskirche

Oftmals unerklärlich ist das Phänomen, dass die kulturell interessantesten Veranstaltungen in Dresden vor einem gar zu kleinen, familiären Publikum stattfinden, sozusagen fast ohne Kenntnisnahme der Öffentlichkeit. In diesem Fall hätte man mit vereinten Dresdner Literatur- und Musikfreunden problemlos einen Saal füllen können, aber Vorweihnachtszeit und kurzfristige Ansetzung bedeuteten keinen guten Stern für ein "volles Haus". Bleibt also der enthusiastische Bericht im Nachgang: "Brichst Du auf gen Ithaka, wünsch Dir eine lange Reise", besser als mit dem Zitat des Dichters Kavafis hätte man den Abend mit griechischer Musik und Lyrik in der Dreikönigskirche nicht beginnen können. Das Dresdner Literaturbüro hatte die in Berlin lebende griechische Lyrikerin Ewa Boura zu einer Lesung eingeladen, das elole-KIaviertrio spielte drei zeitgenössische Kompositionen von im übrigen Europa lebenden bzw. ausgebildeten griechischen Komponisten.

Die Reise war gar nicht so lang, und gleich mit den ersten Worten und Noten wähnte man sich angekommen: Ewa Bouras unveröffentlichte Texte atmen Essenzen der Heimat: Klänge, Formen, eine Frucht oder ein Himmelszustand. Sie bilden Kontraste zur deutsch geprägten Gegenwart der Dichterin, am deutlichsten im ironischen Gedicht von "Aufgeräumten Straßen, aufgeräumten Menschen". Diese Kontraste fanden ihren Spiegel in der Musik, und die Assoziationsketten setzten sich hier natürlich fort. Alle drei Komponisten schienen trotz unterschiedlicher Generationen und Einflüsse wie durch eine magische Spielregel geeint, z.B. durch wiederholte Ansteuerung melodischer Fluchtpunkte, Lyrikinseln in ansonsten hektischer (Minas Borboudakis -"Roai") bis traurig-verlorener (Athanasia Tzanou - "Triptyque VI") Betriebsamkeit. Spannend war die Formgebung der Stücke und die selbstverständliche Einbeziehung moderner Spieltechnlken: Borboudakis' ständig changierende Rhythmusmuster schaukelten sich zum Exzess hoch und fanden einen irisierenden Abschluss.

Der in Leipzig lebende und lehrende Dimitri Terzakis ist von allen Dreien der "Bodenständigste", wenngleich seine Musik um einen imaginären Punkt zu rotieren scheint, eine Redseligkeit ausbreitet, die einsam scheint. Der stärkste Eindruck entstand durch Tzanous "Triptych", es ist die Phase kurz vor der Ankunft in Ithaka, bei der die Rückschau und Reflektion beginnt und zu Klang wird. Diese griechische Reise in Wort und Ton wurde von Ewa Boura und dem elole-Trio (Uta-Maria Lempert, Matthias Lorenz und Stefan Eder) konzentriert und intensivst dargeboten.

Alexander Keuk